Vereinbarkeit von Spitzensport und Beruf

Interview mit Paul Biedermann und Marc Kühne

Im Rahmen der Projekttage haben sich Schülerinnen und Schüler u.a. mit der Vereinbarkeit von Spitzensport und Beruf beschäftig. Dabei kamen interessante Gespräche mit Paul Biedermann und Marc Kühne zustande. 

Im Zeitraum vom 19.06.-20.06.2024 wurden an den Sportschulen Halle zahlreiche Projekte unter dem Leitthema „Der bewegte Mensch – Was bewegt uns“ durchgeführt. Eines der Projekte beschäftigte sich mit der „Vereinbarkeit von Spitzensport und Beruf“, geleitet von Frau Märten und Herrn Wegner. Im Rahmen dieses Projektes interviewten eine Schülerin und fünf Schüler des Jahrgangs 11 am ersten Projekttag den ehemaligen Spitzensportler und Schwimmweltmeister Paul Biedermann (SV Halle) und trugen die Ergebnisse aus diesem Interview in Kurzform zusammen.

Gekürzte Fassung des Interviews mit Paul Biedermann (nach Gedächtnisprotokoll):

Interviewer:    Wie sind Sie zu ihrem Sport gekommen?

Biedermann:   Ich war oft an der Ostsee mit meiner Familie und da musste ich schwimmen können. Zudem haben meine Eltern gesagt ich sei „dick“ und da war es die beste Möglichkeit für mich, mit dem Schwimmen anzufangen.

 

Interviewer:    Waren Sie gut in der Schule?

Biedermann:   Es ging, ich war ein durchschnittlicher Schüler: gut in Englisch, in Mathe ging es so.

Interviewer:    Was haben Sie nach dem Abi gemacht? Ab wann wussten Sie was Sie beruflich machen wollen?

Biedermann:   Ich habe 2016 mit dem Sport aufgehört, habe dann ein Jahr frei gemacht, dann ein Jahr Zivildienst und hatte dann einen Lehrauftrag an der Martin Luther-Universität. Zudem habe ich im Bereich „Sportwissenschaften“ ein Studium abgeschlossen und danach ein Praktikum beim SV Halle absolviert und fand darüber meinen Traumjob beim SV Halle. 

Interviewer:    Was machen Sie derzeit beruflich?

Biedermann:   Ich arbeite aktuell als Leiter für Projekte und Fördermittel beim SV Halle.

Interviewer:    Wie wurden Sie auf Ihrem Weg ins Berufsleben unterstützt?

Biedermann:   Der Olympiastützpunkt hat mir während der Zeit viel Unterstützung gegeben.

Interviewer:    Gibt es Organisationen, welche finanzielle Unterstützung leisten? Wenn ja, welche?

Biedermann:   Ja die gibt es, allen voran die Deutsche Sporthilfe hilft einem da, auch wenn man dann aus dem Sport ausscheidet, ist sie ein guter Ansprechpartner, um den richtigen Studiengang zu finden. Zudem gab es weitere Kooperationen wie zum Beispiel mit der Telekom. Zudem hilft einen der Laufbahnberater Marc Kühne. (siehe Ergebnisse des zweiten Projekttages, Anmerkung durch die Redaktion) 

Interviewer:    Wie wichtig ist es gefördert zu werden, um Sport und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Biedermann:   Das ist eigentlich sehr wichtig, wenn du Spitzensport betreiben möchtest und da reden wir nicht von deutschen Meisterschaften, sondern von Weltklasse- Niveau, dann geht das nur als Profi. Du kannst nicht nebenbei noch arbeiten, das funktioniert einfach nicht. Sonst gibt es zu viele Einschränkungen. Bei einer Weltmeisterschaft sind keine Amateure, sondern nur Leute, die das jeden Tag durchziehen. Gerade in Deutschland ist das schwierig.

Interviewer:    Warum haben Sie sich dazu entschieden, den Sport nach der Schule weiter zu machen?

Biedermann:   Weil es gut lief. Im Anschluss an den Zivildienst war mehr Zeit für den Sport. Durch das viele Training am Olympiastützpunkt gab es nochmal einen enormen Leistungssprung. Dadurch hat es sich abgezeichnet, dass ich Profi werden wollte.

Interviewer:    Hat es bei den anderen Absolventen Ihres Jahrgangs auch geklappt?

Biedermann:   Ja, teilweise.  Ein Teil hat studiert, ein anderer hat sehr lange gestreckt. Das Problem ist aber, wenn du nicht zur Bundeswehr oder Bundespolizei gehst, bekommst du kaum Förderung. Bei vielen hat es nicht geklappt, weil es an Geld durch Sponsoren gefehlt hat.

Interviewer:    Wenn sie ein besseres Abi gehabt hätten, hätte Ihnen das im Berufsleben weitergeholfen?

Biedermann:   Ja, da ich mehr Möglichkeiten gehabt hätte.Zum Glück ist mein Weg jedoch mit meinem Sport so aufgegangen wie ich es mir vorgestellt habe.

Interviewer:    Was würden sie jungen Athleten mit auf den Weg geben?

Biedermann:   Man muss sich sicher sein, was man will. Entweder sollte man sich auf den beruflichen Weg konzentrieren oder alles in den Sport investieren und das Risiko gehen, das muss man individuell entscheiden.

Die Projektgruppe bedankt sich hiermit nochmal vielmals, dass sich Herr Biedermann für unser Interview Zeit nahm und seine wichtigen Erfahrungen mit den Schülerinnen und Schüler geteilt hat.

Am zweiten Projekttag hatten die Projektteilnehmerinnen und –teilnehmer die Möglichkeit, vertiefend Informationen zu erhalten, welche Unterstützungssysteme es regional und bundesweit gibt und inwiefern die Landespolizei ein attraktiver Arbeitgeber sein kann, um Spitzensport und Beruf zu vereinen. Dafür hatten wir den Laufbahnberater des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt Herrn Marc Kühne, sowie zwei Polizeibeamtinnen (Polizeioberkommissarin Inken-Viktoria Henningsen und Kollegin) zu Gast.

Herr Kühne informierte über das facettenreiche Fördersystem in Deutschland und ging dabei besonders auf die Förderung der Deutschen Sporthilfe ein. Die Förderung erfolgt dabei in drei Stufen:

        1. Stufe: Basisförderung für Nachwuchskader 1
          • derzeit ca. 2000 Personen bundesweit
          • diese erhalten einen Basisversicherungsschutz und Seminarangebote, aber keine monetäre Unterstützung)
        2. Stufe: Förderung für Top-Team-Future Athletinnen und Athleten
          • derzeit ca.1500 Personen
          • diese erhalten ca. 700€ pro Monat Grundförderung und eventuell ein Stipendium der Deutschen Bank in Höhe von 300€ pro Monat
        3. Stufe: Förderung für Top-Team Athletinnen und Athleten
          • diese erhalten 800€ pro Monat Grundförderung und bis zu zusätzlich maximal 1400€ pro Monat für maximal erfolgreiche Sportler (+ evtl. Stipendium)
        4. Stufe: Nachaktivenförderung
          • Förderung nach Karriereende bis zu maximal 500€ pro Monat

Zudem gab er einen Überblick über die Unterstützungsleistungen durch den Olympiastützpunkt Sachsen-Anhalt (OSP). Dies sind zumeist sportartübergreifende Betreuungs- und Serviceeinrichtungen des Spitzensports in Halle und Magdeburg. Hier wird sich um die Bundeskaderathletinnen und –athleten gekümmert, was die Bereiche Trainingswissenschaft, Sportmedizin, Physiotherapie, Sportpsychologie, Ernährungsberatung und Laufbahnberatung umfasst. Herr Kühne als Laufbahnberater führt dabei die Erstgespräche, bei dem es um die Zukunftsplanung geht und folgende Fragen im Vordergrund stehen:

  1. Welchen Plan hat man selbst?
  2. Wie sind die schulischen Leistungen?
  3. Welche Interessen hat man (evtl. Durchführen von Tests, um eigene Interessen und Stärken herauszufinden)
  4. Was braucht es für eine gute Bewerbung? Wie muss diese aussehen?
  5. Wie bereite ich mich auf Auswahlverfahren von Polizei, Bund und anderen Unternehmen vor?
  6. Wie sind die Bewerbungsfristen?

Zudem verwies Herr Kühne in dem Gespräch auch nochmal auf die guten Angebote der Agentur für Arbeit (unterstützt durch die Mitarbeiterin Frau Vogt, welche einmal im Monat an unserer Schule ist). Auch hier findet man u.a. die Möglichkeit, durch Tests seine Interessen und Stärken herauszufinden und sich auf Auswahlverfahren geeignet vorzubereiten.

Ein zweiter Schwerpunkt von Herrn Kühnes Vortrag war die Sportförderung durch die Bundeswehr. Dort werden derzeit ca. 850 Athletinnen und Athleten in Sportfördergruppen betreut und ausgebildet. Die Bewerbung hierfür erfolgt ausschließlich über die Spitzenfachverbände (z.B. Deutscher Fechterbund, Deutscher Leichtathletikbund usw.) und es gibt im Vorfeld ein Auswahl- und Testverfahren. Man verpflichtet sich hierbei für 12 Jahre, wobei 5 Jahre davon bereits für die Ausbildung bzw. für das Studium (im Bereich des Sports oder in MINT-Fächern) vorgesehen sind. Die Ausbildung erfolgt dann meist in Intensivlehrgängen, sodass nebenher viel Zeit für den Sport bleibt, ein permanenter Nachweis der Kaderzugehörigkeit ist dann aber verpflichtend, ansonsten erlischt die Förderung.

Die Ausbildung bei Bundespolizei spielt laut Herrn Kühne nur eine untergeordnete Rolle, da dort pro Jahr nur ca. 10 Personen (also pro Sportart nur ca. 1 Person) eingestellt wird. Die Ausbildung für Sommersportarten erfolgt dann in Kienbaum, für Wintersportarten in Bad Endorf. Mögliche Einsatzorte sind dann zum Beispiel deutsche Flughäfen und Bahnhöfe oder Botschaften. Eine Ausbildung beim Zoll hingegen ist nur für Wintersportarten vorgesehen und damit für unsere Region wenig relevant.

Frau Hennigsen und ihre Kollegin informierten im Anschluss umfangreich über die Ausbildungsmöglichkeiten bei der Landespolizei Sachsen-Anhalt. Eine Ausbildung oder ein Studium dort bietet die Möglichkeit, den Sport weiter zu betreiben, da dort feste Trainingstage garantiert sind. Man muss dafür mindestens den Nachwuchskader 2 Status nachweisen oder als Teamsportlerin bzw. –sportler in der zweiten Bundesliga aktiv sein. Das Einstiegsgehalt während der Ausbildung bzw. des Studiums beträgt derzeit 1300€. Man hat die Möglichkeit, sich auf zwei Laufbahngruppen zu bewerben:

  • Laufbahngruppe 1
    • Hierfür benötigt man mindestens den Realschulabschluss und hier lässt man sich 2,5 Jahre zum Polizeimeister bzw. zur Polizeimeisterin ausbilden.
  • Laufbahngruppe 2
    • Hierfür wird das Fachhochschulreife oder das Abitur benötigt und man absolviert ein Studium zum Polizeikommissar bzw. zur Polizeikommissarin, welches sich über 3 Jahre erstreckt. (Abschluss: Bachelor of Arts)
    • Für besonders erfolgreiche Athletinnen und Athleten kann diese Zeit auf max. fünf Jahre gestreckt werden.

Frau Henningsen empfiehlt, sich immer für beide Laufbahngruppen zu bewerben. Denn falls es für Studium nicht reicht, so kann man immer noch Polizeimeister bzw. Polizeimeisterin werden. Für beide Laufbahngruppen gibt es folgende Voraussetzungen:

  • Deutscher oder EU-Bürger
  • keine Vorstrafen
  • geordnete wirtschaftliche Verhältnisse (keine Schulden)
  • Alter für Ausbildung 16-37
  • Mindestgröße 1,60m
  • psychologische Eignung
  • Bestehen der Auswahlverfahren
      • computergestützter Deutschtest und Intelligenzstrukturtest + Persönlichkeitstest (Test von Hesse und Schrader als Vorbereitung nutzen)
      • Bewerbungsgespräch (mündlich) inklusive Situationstraining
      • ärztliche Untersuchung à Feststellung der Diensttauglichkeit

Als letztes stellten die beiden Polizistinnen mögliche Berufsfelder vor, die sich mit der Laufbahnausbildung später einschlagen lassen. Dazu zählen u.a. folgende Tätigkeiten:

    • Kriminalpolizei (ermitteln bei Straftaten)
    • Schutzpolizei (Streifendienst à nimmt Anzeigen auf)
    • Bereitschaftspolizei (z.B. Fußballspiele und Demonstration absichern)
    • Spezialeinheiten (SEK und MEK)
    • Wasserschutzpolizei
    • Diensthundestaffel
    • Hubschrauberstaffel
    • Landespolizeiorchester
    • Prävention und Opferhilfe
    • Ausbildertätigkeiten (Sport, Schießen)
    • Verkehrs- und Autobahndienst
    • Personenschutz
    • Öffentlichkeitsarbeit

Auf diesem Wege möchte sich die Projektgruppe auch nochmals für die vielen interessanten Informationen bei Herrn Marc Kühne und bei Inken-Viktoria-Henningsen sowie ihrer Kollegin bedanken. Ohne diese Expertise wäre die Projektarbeit nicht so ertragreich gewesen.